The Rolling Stones

Die (offiziellen) Platten:
1964-65 + 1966-67 + 1968-71 + Exile 1972 + 1973-78 + 1980-86 + 1989-heute + Live-Platten
 

Die Live-Platten
Es ist paradox: Obwohl die Stones es immer wieder vermocht haben, bekannten wie auch weniger populären Songs erst auf der Bühne den richtigen Drive zu verpassen, läßt sich dies auf ihren Live-Platten nur in Einzelfällen erkennen.
Aber auch wenn ich es selbst altersbedingt nur für die Tourneen seit 'Urban Jungle' 1990 sagen kann, gilt eines sicher: Auch zehn Konzertplatten der Stones sind nix gegen 'nen sei-es-noch-so-teuren Stehplatz mit ordentlichem Platzregen ins offene Stadion (während lockeren sechs Stunden Wartens), wenn dann endlich das Intro zu einem 'echten' Konzert von Keith & Co. zu hören ist!

Vorsicht: Insbesondere für die frühen Jahre (vor 1970) finden sich in  Plattenläden immer wieder klangtechnisch obskure 'Live-Platten' bzw. Bootlegs von unbekannten Labels. Bei Interesse sollte man auf jeden Fall noch im Geschäft in die Scheibe hineinhören, um bösen Überrraschungen zu Hause vorzubeugen!

Got Live If You Want It (1966)
Querschnitt über ein typisches Stones-Konzert  - hier in der Londoner Royal Albert Hall am 23.09.66 - vor der Zeit der großen Tourneen. Sowohl Klang- und Aufnahmetechnisch (mono!), als auch von seiner Songauswahl (zwölf Hits während einer guten halben Stunde!) steht Got Live... repräsentativ für die frühen Live-Acts der Stones.
Obgleich historisch und nostalgisch interessant, bleibt die Scheibe für's Ohr dennoch gewöhnungsbedürftig.
Ohne Bewertung.
Rock And Roll Circus (1968)
Das Album zum von den Stones konzipierten und durchgeführten Event erschien offiziell erst 1996. Zum 11. Dezember 1968 hatten die Rolling Stones befreundete Gruppen zur Aufnahme einer Fernsehshow gebeten und traten als Hauptact erst am frühen Morgen (und entsprechend übermüdet) auf. Vor allem Jagger fand nachher, daß die Qualität des Stones-Auftrittes gegenüber dem der Who, nicht mithalten konnte und die Bänder und Filmrollen verschwanden für fast 30 Jahre im Keller.
Außerdem spielten Taj Mahal, Marianne Faithfull, Jethro Tull und John Lennon (mit Keith am Bass auf Yer Blues), unterstützt von illustren Gästen wie Eric Clapton oder Mitch Mitchel (Hendrix), die ebenfalls auf dieser Platte repräsentiert sind - was aber leider auch für Yoko Ono's grausames Gequieke gilt...
Die Stones selbst sind dann mit knapp der Hälfte ihres Beggar's Banquet-Albums vertreten, spielen neben Parachute Woman, No Expectations, Salt Of The Earth und Sympathy... noch Jumpin' Jack Flash und testen erstmals das noch unveröffentlichte You Can't Always Get What You Want vor Publikum.
Bewertung:
Get Yer Ya-Ya's Out! (1970)
Hochgelobt als 'bestes Live-Album der Stones' (wenn nicht sogar der gesamten 70er) spiegelt das Album  die '69er US-Tour wieder, die im Desaster von Altamont ihren Abschluß fand. Neben den Beggar's Banquet- und Let It Bleed-Stücken, sind noch Jumpin' Jack Flash und Carol (aus der 'Steinzeit', 1964) vertreten. Mick Taylor hat sich gut in die Live-Band eingefügt, erst sein Spiel läßt Midnight Rambler zum düsteren Höhepunkt dieser Scheibe werden.
Interessant (weil amüsant) erscheint mir aus heutiger Sicht noch Mick Jaggers Publikums-Anmache in den Liedpausen: "You all want my trousers to pull down? Do Yah?!"
Bewertung:
Love You Live (1977)
Einziges Live-Doppelalbum der Stones mit dem üblichen Hit-Repertoire (hier der 76er Konzerte in Paris - Mick: "Voulez-vouz chanter avec nous?"). Die Stones sind live in wesentlich besserer Form als es Keith' Gesundheit und die gleichzeitigen Studioalben vermuten lassen.
Die dritte LP-Seite (bzw. der Anfang von CD 2) enthält Stücke von einem Auftritt März '77 im El Mocambo-Club in Toronto / Kanada. Obgleich Keith in den Tagen dieser Aufnahmen nur knapp an mehreren Jahren Knast vorbeikam, laufen er und die Band hier zu Höchstform auf: Mit Mannish Boy, Crackin' Up, Little Red Rooster und Around And Around langen sie ganz tief in die Raritäten-Grabbelkiste, bevor die - diesesmal mit Honky Tonk Woman als Opener der Tour begonnene - Platte mit den heute noch gültigen 'Kehraus-Songs' beendet wird: It's Only Rock'n'Roll, Brown Sugar, Jumping Jack Flash und Sympathy For The Devil.
Bewertung:
Still Live (1982)
Die Platte zur '81er US-Tour: Es rockt und rollt wie in den 50ern (Twenty Flight Rock, Going To A Go Go) und Keith und Ron schrammeln, was das Zeug hält. Timing und Präzision sind hier völlig fehl am Platz, dafür sorgt seinerzeit aber auch Supertramp...
Wirklich klasse ist die Umsetzung von Under My Thumb als rockigem Opener, der dafür allerdings gar nichts mehr von der ursprünglich exotischen Konzeption des Songs erkennen läßt. Start Me Up beweist eindrucksvoll seine Live-Qualitäten und - tja, das war's auch schon.
Bewertung:
Flashpoint (1991)
Aufgenommen auf der Steel Wheels / Urban Jungle Welttournee 1989/90 stellt Flashpoint ein entsprechendes 'Nummer-Sicher-Best-Of'-Paket dar. Alle Hits der Tour finden sich glatt und sauber gespielt auf dieser Platte wieder. Obwohl von Keith Richards vehement bestritten sind einige Aufnahmen zudem nachträglich im Studio aufpoliert worden (Applaus und Zuschauergeräusche nach Ruby Tuesday wurden dabei plumperweise von der 70er Live-LP Get Yer Ya-Ya's Out! übernommen).
Die nicht-Hits sind Factory Girl ("What album is it from, Bill?", fragt Jagger,"Aah, Beggar's Banquet someone said.") und Willie Dixon's Little Red Rooster mit Eric Clapton als Gastgitarrist. Als Bonus-Tracks enthält das Album noch das funkig-moderne Sex Drive sowie den nicht mal schlechten Anti-Golfkriegs-Song Highwire (und prompt setzte es wieder Sendeverbote...).
Fazit: Eine taugliche Live-Platte für Einsteiger, die auch gewisse Party-Qualitäten hat - der Fortgeschrittene wird sich allerdings eher einem der zahlreichen Bootlegs dieser Tour zuwenden: Atlantic City '89 etwa...
Bewertung (die Einsteiger-Qualitäten sind höher anzusetzen!):
No Security (1998)
Alles, was auf Flashpoint noch falsch gemacht wurde, findet sich auf diesem Mega-Teil berichtigt: Die Band klingt endlich so, wie sie 1997/98 auch live geklungen hatte - und anstelle der x-ten Version von Satisfaction finden sich auf No Security zuvor vielleicht unterbewertete Songs zeitgemäß interpretiert (Sister Morphine, Live With Me, Respectable). Neben den überzeugenden Live-Versionen der Voodoo Lounge- und Bridges To Babylon-Songs haben es von der 'kleinen Bühne' - die Stones begaben sich über eine Brücke zu jeweils drei älteren Stücken mitten unters Publikum - Corinna (mit Taj Mahal) und The Last Time auf's Album geschafft.
Herausragend ist neben der gut eingefangenen Live-Atmosphäre von Saint Of Me das durch Lisa Fisher stets exzellent veredelte Gimme Shelter (zuvor nur auf Maxi-Singles zu Stripped erhältlich) und - vielleicht die Überraschung - Memory Motel (mit der Unterstützung von Dave Matthews).
Eine fulminante acht-Minuten-Version von Out Of Control beschließt das meines Erachtens wirklich beste Live-Album der Rolling Stones.
Bewertung:
Live Licks (2004)
Das Fazit vorneweg: Das Doppelalbum ist eine weitere enttäuschende Live-Scheibe der Rolling Stones.
Daß die Jungs es auch im gesetzten Alter immer noch verstehen, den aktuellen Maßstab für "the best Rock'n Roll show on earth" zu setzen, hat die Licks-Tournee 2002/2003 ohne Zweifel erneut eindrucksvoll bewiesen. Was die Band dann aber wieder mal zeitlich passend für's Weihnachtsgeschäft präsentiert ist auf CD Nr. 1 ein phantasieloses "Best Of" ohne wirkliche Höhepunkte (tja, selbst Sheryl Crow wertet den Keith-Klassiker Happy nicht wirklich auf). Quasi das Flashpoint-Album von 1991 in aktualisierter Auflage...
CD Nr. 2 hingegen geht eher in Richtung No Security (1998): Hier gibt's ein paar selten gespielte Songperlen (Neighbours, Rocks Off, Monkey Man, Can't You Hear Me Knocking), endlich eine amtlich-groovige Version von Beast Of Burden sowie vier klassische Cover-Versionen, die allerdings fast ausnahmslos auf nicht-europäischen Konzerten gespielt wurden. Warum dann aber der B.B. King-Song Rock Me Baby nicht in einer 2003er-Fassung - zusammen mit den AC/DC-Brüdern Angus und Malcolm Young DER Höhepunkt einiger Konzerte! - auf Live Licks vertreten ist, bleibt mir schlichtweg unverständlich.
Micks "Gesang" auf Worried About You? Die plumpen Verkürzungs-Schnitte in Brown Sugar und Rocks Off? Aufmachung und Design? - Kein Kommentar.
Aber was soll's: Gekauft haben wir die Scheiben ja dann doch wieder...
Bewertung: